Wie schon auf Twitter angekündigt, werden hier im Verlaufe der WM einige mehr oder weniger lange Analysen zu den Leistungen des DEB-Teams in Riga erscheinen. Die Daten sind hauptsächlich von Thibaud Chatel und teilweise von mir erhoben. Gleiches läuft im NL Ice Data Substack zu den Spielen der Schweizer mit Unterstützung von Cédric, mit dessen Hilfe auch 5plusspieldauer.de entstanden ist.
Dass dem ersten Gruppenspiel gegen stark geschwächte Italiener nicht viel zu entnehmen ist, sollte jedem, der das Spiel gesehen hat, klar gewesen sein. Allerdings muss ich doch gestehen, dass ich den blanken Optimismus angesichts des Spiels gegen Norwegen nicht teilen.
Natürlich ist ein 5:1 gegen Norwegen ein gutes Resultat. Und für alle Fans, die das deutsche Eishockey schon länger verfolgen, ist es sicher schön zu sehen, wie das deutsche Team spielt. Aktiver, aggressiver, selbstbewusster.
Ich glaube allerdings, dass die Begeisterung über das Ergebnis etwas über die tatsächliche Leistung gegen Norwegen hinwegtäuscht. Denn 4 Tore schlechter waren die Norweger meiner Meinung nach am Samstag nicht. Das bestätigt auch ein Blick in die Expected Goals:
Ich würde zwar nicht behaupten, dass der Sieg “unverdient” war, aber die starke Chancenverwertung und die Tatsache, dass sich die Norweger durch ein paar Nickligkeiten im zweiten Drittel zu leicht aus dem Konzept haben bringen lassen waren meiner Meinung nach spielentscheidend.
Transition
Den Unterschied zum Spiel gegen die Italiener erkennt man auch in den Transition-Statistiken. Man kam am Freitag deutlich leichter mit Puckkontrolle in die Offensivzone:
Ctrl% Zone Entries vs ITA: 67%
Ctrl% Zone Entries vs NOR: 53%
… und auch das Erobern von Pucks nach Dump-ins war deutlich leichter:
Dump-in Recovery Rate vs ITA: 39% (unerhört hoch.)
Dump-in Recovery Rate vs NOR: 25%
Ein ähnliches Bild im Rückwärtsgang, gegen Norwegen fiel es der deutschen Mannschaft deutlich schwerer, kontrollierte Entries zu verhindern:
Ctrl% Zone Entries ITA: 36%
Ctrl% Zone Entries vs NOR: 50%
Interessant ist, dass weder die Italiener noch die Norweger wirklich viele Turnover verursachen konnten. Gerade einmal 12 Mal konnten die Norweger nach einer Puckeroberung in der Offensivzone noch etwas aufziehen (ITA: 7).
Womit wir wieder beim moderneren Spiel sind. Die deutschen Spieler sind sehr viel häufiger dazu bereit, beim schnellen Aufbau abzudrehen und mit einem Set Breakout1 ihr Glück zu suchen, nachdem die Stürmer neu Schwung aufgenommen haben. Das ist aus meiner Sicht aus zwei Gründen positiv:
A) Mittlerweile gibt es im deutschen Kader genug Stürmer, die gegen eine Trap auf internationalem Niveau (zumindest gegen Gegner wie Norwegen) mit ein paar Moves durch die NZ kommen können. Durch den langsameren Aufbau läuft man dann also nicht nur gegen eine Wand und muss die Scheibe tiefspielen, sondern man schafft es trotzdem häufig genug, mit Kontrolle ins gegnerische Drittel zu kommen.
B) In den allermeisten Ligen (in allen Ligen, für die ich jemals bessere Daten hatte) sind Set Breakouts effizienter als Quick Breakouts. Der Trade-off ist folgender: Gelingt die schnelle Auslösung kann man einige Stürmer überspielen und in der Neutralen Zone ist Platz. Nachteil ist, dass ein Puckverlust deutlich wahrscheinlicher ist und ein Turnover im Aufbau meist besonders gefährlich2.
Bei Set Breakouts hat man den Vorteil, dass man mit höchster Wahrscheinlichkeit zumindest einen Dump-in erreichen sollte, denn der Gegner ist ja in die NZ zurückgezogen. Hat man den notwendigen Speed und ist gut genug auf die gegnerische Trap eingestellt bzw. hat gute eigene Breakoutstrategien eingeübt, lässt sich aber auch eine Trap ausspielen. Diese Rechnung geht, wie oben erwähnt, in den meisten Ligen auf.
Ausblick
Einiges davon lässt sich durch den Spielplanvorteil der Norweger wegargumentieren, am Spielfluss lässt sich klar erkennen, dass die deutsche Mannschaft etwas gebraucht hat, um ins Spiel zu kommen.
In Summe ist das deutsche Team für mich immer noch schwer einzuordnen. Italien ist kaum repräsentativ für die zukünftigen Gegner und müde gegen frische Norweger hat man sich durch gute Chancenverwertung durchgesetzt. Die nächsten Spiele sollten etwas aufschlussreicher sein, wie gut das deutsche Team wirklich ist. Gegen die Kanadier muss zumindest schon etwas me-
Ah. Naja, drei Punkte sind drei Punkte.
Bonusgrafiken
Auch wenn das Spiel gegen Italien nicht wirklich repräsentativ ist, hier mal die Zone Entries und Schussbeteiligungen nach den beiden ersten Gruppenspielen.
also wenn man die Scheibe im eigenen Drittel hält und der sich Gegner in sein NZ Set Up zurückzieht -> Gedanklich einfach ans Flying V der Mighty Ducks denken
ca. 5 Mal so gefährlich wie ein Dump out, der in der NZ beim Gegner landet.